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Das Problem mit den überfluteten App-Stores

App_flut_webAls passionierter Videospieler ist mir letzte Woche mal wieder aufgefallen, dass App-Stores ein großes Problem haben: Den eigenen Erfolg.

Manch einer wird den kurzen Aufruhr um das Spiel Flappy Bird (Wired / Englisch) mitbekommen haben. Falls nicht, hier die Kurzfassung:

Bei Flappy Bird steuert man, durch das tappen auf den Bildschirm, einen kleinen Vogel mit dem Ziel, durch Öffnungen zwischen einer Reihe von Röhren zu fliegen. Für jedes erfolgreiche Durchfliegen gibt es einen Punkt, berührt man den Boden oder eine der Röhren, heißt es Game Over. Sehr simpel, einfach zu verstehen, gleichzeitig ungemein schwer und absolut süchtig machend.

Veröffentlicht wurde es im Mai letzten Jahres, wo es niemanden interessiert hat. Anfang diesen Jahres schoss das Spiel plötzlich in Apples App Store an die Spitze der Rangliste der kostenlosen Apps. Warum genau kann selbst der Entwickler Dong Nguyen nicht erklären. Am wahrscheinlichsten ist wohl, dass sich das ganze per Mundpropaganda herumgesprochen hat. (Böse Zungen wittern allerdings das Verwenden von gefälschten Reviews, um die App in den Ranglisten nach oben zu bringen.)

Warum genau ist letzten Endes unbedeutend, das Spiel wurde jedenfalls millionenfach heruntergeladen und brachte bis zu 50.000$ Werbeeinnahmen pro Tag. Mit dem Aufstieg kam aber auch der Druck und Stress des Erfolgs, der Nguyen letzten Endes zu viel wurde. Am 8. Februar nahm er das Spiel wieder aus den App-Stores von Apple und Google.

Noch während sich diese Geschichte entwickelte, geschah das, was in solchen Fällen immer geschieht: Zahllose Nachahmer überschwemmten die App-Stores mit mehr oder weniger dreisten Kopien. Zeitweise befanden sich mehrere davon gleichzeitig in der Top 10 der kostenlosen Apps. Google hat inzwischen die Verwendung von Flappy im Namen im Play Store verboten, um der Masse an Klonen beizukommen.

Diese und ähnliche Situationen sind nur einer der Gründe für das Problem, dass die Zahl der Apps, die für Smartphones angeboten werden, ungemein hoch geworden ist. Durch die unglaubliche Menge an Apps, über eine Million im Fall von Apple, wird es immer schwerer, die wenigen Guten aus der Flut an Schrott heraus zu filtern. Was für die Nutzer nervig ist, kann für Entwickler katastrophal sein. Wer es nicht in die Top 10 in einer Kategorie schafft, hat oft keine Chance, überhaupt wahrgenommen zu werden. Natürlich gibt es von Zeit zu Zeit einen unerwarteten Erfolg, wie bei Flappy Bird, aber das ist die Ausnahme. Im Normalfall geht selbst die beste App in der Flut unter. Einzige Chance ist hier entweder der Zufall, das Verwenden einer teuren Lizenz, wie etwa von der TV-Serie The Walking Dead oder dass eine bekannte Persönlichkeit eine Empfehlung ausspricht.

Auch wenn man sich nur auf die kostenlosen Apps konzentriert, macht es allein die schiere Masse völlig unmöglich, alles was angeboten wird auszuprobieren. Manch einer schaut bei der Suche nach neuen Apps schon gar nicht mehr in die App-Stores selbst. Sie weichen auf Webseiten aus, die sich allein auf das Testen von Mobile-Apps konzentrieren. Doch auch diese können der Masse nicht Herr werden.

Gleichzeitig hat sich in den letzten Jahren die Strategie des Preisdumpings etabliert. Billiger als der Rest zu sein war in den Anfangstagen des App Stores noch eine gute Möglichkeit, in den Charts oben zu landen und so die Verkäufe anzukurbeln. Inzwischen sind aber die meisten Apps im niedrigen Preissegment angekommen oder ganz kostenlos. Damit hat sich auch die Mentalität der Kunden verändert, die sich teilweise schon bei Preisen von 3,99€ für ein Spiel über Abzocke aufregen.

Abseits der Spiele ist es auch nicht viel besser. Der Markt ist überflutet mit Spaß-Apps, die im schlimmsten Fall das Gerät des Nutzers auch noch mit Malware infizieren oder ihm die Kreditkarte leer räumen. In wie weit diese Problematik die Betreiber der App-Stores interessiert, ist fraglich. Für ihre PR ist die angebotene Qualität zweitrangig. Viel lieber wird damit geprahlt, dass man nun über 1 Mio. Apps im Angebot hat. Dass gefühlt 10.000 davon Taschenlampen sind, ist hier eher unbedeutend.

Die momentane Situation erinnert mich sehr an den Crash der amerikanischen Videospielindustrie vor 30 Jahren. Damals hatte Atari mit ihrer VCS Heimkonsole ähnliche Probleme. Dank einer Gerichtsentscheidung, die es anderen Firmen erlaubte, Spiel-Module für Ataris Konsole herzustellen und zu verkaufen, war der Markt 1983 überflutet mit schlechten Spielen. Für die Konsumenten war es unmöglich, die Qualität dieser vor einem Kauf abzuschätzen, was zu einer sehr starken Wertsenkung in den Köpfen der Käufer führte. Das Produkt wurde zur Ramschware. Zusammen mit einigen massiven Fehlentscheidungen seitens Atari führte dies letzten Endes zum Platzen der Blase „Videospiele“.

Zumindest bis die japanische Firma Nintendo, die aus den Fehlern der Amerikaner gelernt hatte, den Markt 1985 neu aufrollte. Teil der Strategie bestand darin, die Anzahl der veröffentlichten Spiele stark zu regulieren, um einen Werteverfall wie in den Jahren zuvor, zu verhindern.

Natürlich hinkt der Vergleich zu heute etwas, schon alleine weil Mobile Apps, anders als die alten Videospielmodule, keine Kosten in der Vervielfältigung haben. Aber es zeigt auch, dass ein zu großes und unübersichtliches Angebot die Gefahr mit sich bringt, den Markt unter seinem eigenen Gewicht kollabieren zu lassen. Vor allem wenn es dazu führt, dass die Kunden keinen hohen Wert mehr in den Apps sehen.

Aber zumindest unter den Videospielern kündigt sich inzwischen eine Abkehr von Smartphones als Spieleplattform an. Der Markt ist überfüllt mit schlechten Spielen, weswegen viele für unterwegs lieber zu den traditionelleren Handheld-Konsolen von Nintendo oder Sony zurückgreifen. Dort ist das Angebot zwar ungemein kleiner und die Preise höher, die durchschnittliche Qualität der Spiele aber auch weitaus besser.

Steht uns also auch ein Crash der App-Stores bevor? Möglicherweise. Aber mir persönlich wäre es lieber, wenn Apple und Google sich dazu entschließen würden, die Flut zu stoppen und für deutlich mehr Qualität im Angebot zu sorgen. Zugegeben, kein leichtes Stück Arbeit, aber es würde sich mit Sicherheit lohnen. Denn der jetzige Zustand schadet den Entwicklern und nervt die Verbraucher.

 

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